Der ultimative Guide zur DGA-Interpretation
Die Analyse gelöster Gase (DGA) ist eine der wichtigsten Methoden, um die Gesundheit von Transformatoren sicherzustellen. Leider ist es nicht immer einfach, DGA-Ergebnisse zu interpretieren. Es existiert eine Vielzahl von Faktoren, die einen Einfluss auf die gemessenen Zahlen haben. Diese Faktoren müssen berücksichtigt werden, da sonst das Risiko von Fehlalarmen und unentdeckten Fehlern erhöht wird. Dieser Blogartikel kann das Wissen erfahrener Transformator-DGA-Experten nicht ersetzen. Er kann Ihnen jedoch einen ersten Überblick darüber geben, welche Aspekte bei der Interpretation von DGA-Werten zu beachten sind.
Absolute Werte
Das wichtigste Merkmal jeder DGA-Auswertung ist natürlich ein Blick auf die Zahlen selbst. Es ist schwierig, anhand der Zahlen allein festzustellen, ob ein Transformator fehlerhaft ist, aber wir können die Zahlen mit denen anderer Transformatoren vergleichen. Mehrere Quellen bieten Referenzdaten an, hier ist z.B. eine Tabelle aus der IEEE-Norm C57.104-2019 abgebildet.
Einige Erklärungen sind angebracht: Ein O2/N2-Verhältnis von weniger als 0,2 ist lediglich ein Hinweis auf einen hermetisch abgedichteten Transformator. Derartige Transformatoren haben naturgemäß höhere DGA-Werte, da die Gase langsamer entweichen. Wenn Sie also wissen, dass Ihr Transformator nicht versiegelt ist, können Sie dieses Verhältnis ignorieren und einfach auf die rechte Seite der Tabelle schauen.
Letztendlich ist das 90. Perzentil nur ein grober Richtwert und keine magische Grenze. Wenn Gase erhöht sind, kommt es darauf an wie viel. Die Werte verschiedener Transformatoren können um mehrere Größenordnungen voneinander abweichen. So kommen Wasserstoffwerte von über 9000 ppm vor. Bei derartigen Werten sollte man allerdings schleunigst die Flucht ergreifen.
Das 90. Perzentil bedeutet, dass 9 von 10 Transformatoren DGA-Werte aufweisen, die unter den Zahlen in der Tabelle liegen. Das bedeutet nicht, dass jede Zahl, die höher als das 90. Perzentil ist, auf einen Fehler hinweist. Es bedeutet nur, dass die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers im Vergleich zu einem durchschnittlichen Transformator erhöht ist. Die Grundwahrscheinlichkeit von Transformatorenfehlern ist gering, es besteht also noch kein Grund zur Panik.
Oft messen DGA-Systeme gleich alle sieben Gase. Wenn jedes der Gase eine Wahrscheinlichkeit von 10% hat, erhöht zu sein, und wenn die Gaswerte unabhängig voneinander sind (sind sie nicht wirklich, dies dient nur der Veranschaulichung), dann ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 52,1 % mindestens eines der Gase erhöht. Das illustriert, dass man geringfügige Überschreitungen für sich alleine noch nicht allzu ernst nehmen sollte.
Trends
Lassen Sie uns ein mentales Modell aufbauen: Irgendwann beginnt ein Teil des Transformators zu überhitzen. Infolgedessen werden Gase mit einer konstanten Rate produziert. Zunächst bilden die DGA-Werte eine in der Zeit ansteigende Linie. Die meisten Transformatoren sind jedoch nicht vollständig abgedichtet, so dass einige der erzeugten Gasmoleküle aus dem Öl entweichen. Je mehr Gas im Transformatorenöl gelöst ist, desto mehr Gas entweicht. Nach einer Weile befinden sich Gasproduktion und Gasaustritt im Gleichgewicht. Die Gaswerte ändern sich nicht mehr. Die resultierende Zeitreihe sieht ungefähr so aus wie in der Abbildung.
Man kann dieses mentale Modell nutzen, um DGA-Interpretationen zu verbessern. Einige Beispiele:
- Nehmen wir an, man hat leicht erhöhte absolute Gaswerte und ist unsicher, wie sehr man sich Sorgen machen muss. Ein stark positiver Trend deutet darauf hin, dass Werte in einigen Monaten viel höher sein werden, so dass eine gewisse Besorgnis angebracht ist. Wenn die Werte jedoch nicht ansteigen, muss man sich wahrscheinlich keine Sorgen machen.
- In einem anderen Fall sind die absoluten Gaswerte bereits sehr hoch, steigen aber nicht an. Dies könnte bedeuten, dass das Gleichgewicht bereits erreicht ist. Auch wenn kein Trend erkennbar ist, ist ein Fehler wahrscheinlich.
- Wenn sowohl die absoluten Werte als auch der Trend niedrig oder durchschnittlich sind, ist die Wahrscheinlichkeit eines (dga-erkennbaren) Fehlers sehr gering.
Mildernde Umstände
Nicht alle Transformatoren sind gleich, also sollten wir sie auch nicht als solche behandeln. Bei der Interpretation von DGA-Werten ist es immer wichtig, die Besonderheiten eines bestimmten Transformators zu berücksichtigen. Viele Merkmale eines Transformators können sich auf DGA-Werte auswirken. Wenn sich Gaswerte durch diese Merkmale erklären lassen, müssen wir uns nicht so viele Gedanken machen. Die wichtigsten Merkmale sind hier aufgeführt:
- Last: Ein hochbelasteter Transformator weist oft erhöhte Gaswerte auf. Dies ist sowohl eine Funktion des Stroms als auch der Temperatur.
- Ölvolumen: Wenn zwei Transformatoren ansonsten gleich sind, aber einer von ihnen ein größeres Ölvolumen hat, wird die gleiche Menge an Gasen stärker verdünnt. Da die DGA-Werte in ppm gemessen werden, was ein Maß für die Verdünnung ist, werden sie dadurch geringer.
- Art der Isolierflüssigkeit: Nicht jedes Transformatorenöl ist gleich. Bei der gleichen Fehlertemperatur ist das Verhältnis der Zersetzungsprodukte bei paraffinischen und naphthenischen Ölen beispielsweise leicht unterschiedlich.
- Inhibitoren: Inhibitoren sind Transformatorenölzusatzstoffe, die zur Verbesserung der Oxidationsbeständigkeit verwendet werden. Wenn ein Transformatorenöl Inhibitoren enthält, wird die Menge an Kohlenmonoxid (CO) reduziert. Um das für die DGA-Auswertung zu kompensieren, sollten man die Zahl für CO gedanklich anpassen.
- Passivatoren: Passivatoren sind Zusatzstoffe für Transformatorenöl, die die Wechselwirkungen zwischen Transformatorenöl und Metalloberflächen verringern. Passivatoren können die Gaswerte erhöhen, insbesondere Wasserstoff (H2). Wenn ein Transformatorenöl Passivatoren enthält, sollten man daher den H2-Wert gedanklich verringern, um diesen Effekt auszugleichen.
Vergleich mit ähnlichen Transformatoren
Wenn man mehrere ähnliche Transformatoren im Feld hat, kann man diese verwenden um Ausreißer zu finden. Es ist unwahrscheinlich, dass alle fehlerhaft sind, und es ist noch unwahrscheinlicher, dass alle zur gleichen Zeit einen Fehler entwickeln. Daher kann man sich sich meist zurücklehnen, solange alle Transformatoren ein ähnliches DGA-Verhalten aufweisen, auch wenn die Zahlen erhöht sind.
Zusammengefasst:
Die Interpretation von DGA-Werten ist mit viel Arbeit verbunden. Es müssen mehrere Aspekte berücksichtigt und verschiedene Erklärungen für die gemessenen Werte in Betracht gezogen werden. Aber wenn man das tut, wird man mit neuen Erkenntnissen über seinen Transformator belohnt.